Immer wieder taucht der Begriff «Rote Liste» im Naturschutz- und Biodiversitäts-Kontext auf. Meistens geht es darum aufzuzeigen, dass eine Art selten ist, oder zumindest selten ist in der Schweiz. Was bedeutet es aber genau, wenn eine Art zum Beispiel als «verletzlich» eingestuft ist?
Ziel der Roten Liste ist es genauer zu wissen, welchen Arten es gut oder eher schlecht geht. Dazu wird jeder Art ein Status zugeteilt, der die Gefährdung in der Schweiz abschätzt. Diese Einschätzung wird nach wissenschaftlichen Kriterien durch Fachexperten erteilt. Diese Kriterien werden international gleich verwendet (IUCN, Deutschland verwendet eine leicht abweichende Kategorisierung).
englisch
deutsch
Beschrieb nach IUCN (frei übersetzt)
Beispiel aus RL Gefässpflanzen (2016)
LC
least concern
nicht gefährdet
Die Art wurde nicht in einer der Kategorien NT bis EX eingeordnet. Weitverbreitete und häufige Art.
Gewöhnlicher Löwenzahn (Taraxacum officinale aggr.)
NT
near threatened
potenziell gefährdet
Erfüllt nicht die Kriterien um als «verletztlich» klassiert zu werden knapp nicht oder es ist zu erwarten, dass die Kriterien bald erfüllt sind.
Berg-Aster (Aster amellus)
VU
vulnerable
verletzlich
Mind. eines der Kriterien* für den Status «verletzlich» ist erfüllt, das Risiko des Aussterbens gilt als hoch.
Sommer-Blutströpfchen (Adonis aestivalis)
EN
endangered
stark gefährdet
Mind. eines der Kriterien* für den Status «stark gefährdet» ist erfüllt, das Risiko des Aussterbens gilt als sehr hoch.
Ranken-Platterbse (Lathyrus aphaca), Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris)
CR
critically endangered
vom Aussterben bedroht
Mind. eines der Kriterien* für den Status «vom Aussterben bedroht» ist erfüllt, das Risiko des Aussterbens gilt als extrem hoch.
Kleinling (Anagallis minima), Acker-Waldmeister (Asperula arvensis)
RE
regionally extinct
In der Schweiz ausgestorben
In der Natur kommt diese Art in der Schweiz nicht mehr vor
Zwerg-Veilchen (Viola pumila)
Diese Kategorien werden hier nicht weiter beachtet:
EX (extinct) ausgestorben, es gibt auf der Welt kein lebendes Individuum mehr
EW (extinct in the Wild) in der Natur ausgestorben, es gibt lediglich Individuen in Kultur, in Gefangenschaft oder in eingebürgerten Populationen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes
DD (data deficient) ungenügende Datengrundlage, die vorhandenen Informationen reichen nicht für eine Beurteilung des Aussterberisikos aus
NE (not evaluated) nicht beurteilt, die Art existiert, es wurde jedoch keine Beurteilung durchgeführt, zum Beispiel bei invasiven Arten
Anhand wissenschaftlicher Kriterien wurden diese Einschätzung für die Arten der Schweiz durch Fachpersonen gemacht. Hier werden die Kriterien vereinfacht aufgeführt. Die Kriterien sind sehr genau beschrieben im Anhang 1 (ab Seite 77) in der Rote Liste Gefässpflanzen (2016) ( Link )
Kriterium (vereinfacht und nicht vollständig)
CR
vom Aussterben bedroht
EN
stark gefährdet
VU
verletzlich
A: Reduktion in Populationsgrösse innerhalb der letzten 10 Jahre um
90%
70%
50%
B: Geographische Verbreitung weniger als
100 km2
5’000 km2
20’000 km2
B2: Geografische Verbreitung in stark fragmentiertem Raum weniger als
10 km2
500 km2
2’000 km2
C: Populationsgrösser kleiner als [x] fortpflanzungsfähige Individuen
250
2’500
10’000
C Zusatz: Erwartete Abnahme um
25% innerhalb von 3 Jahren (1 Generation)
20% innerhalb von 5 Jahren (2 Generationen)
10% innerhalb von 10 Jahren (3 Generation)
C Zusatz: Rückgang, zusätzlich keine Teilpopulation mit schätzungsweise mehr als [x] fortpflanzungsfähigen Individuen
50
250
10’000
C Zusatz: Rückgang, zusätzlich mindestens [x] der fortpflanzungsfähigen Individuen kommen in einer einzigen Teilpopulation vor
90%
95%
100%
D. Populationsgrösser kleiner als [x] fortpflanzungsfähige Individuen
50
250
10’000
E: Quantitative Analysen zeigen eine Aussterbenswahrscheinlichkeit von mindestens…
50% innerhalb von 10 Jahren (3 Generationen)
20% innerhalb von 20 Jahren (5 Generationen)
10% innerhalb von 100 Jahren
LC
Gewöhnlicher Löwenzahn (Taraxacum officinale aggr.)
Kommt sehr verbreitet und häufig vor, deshalb nicht Teil der Roten Liste
NT
Berg-Aster (Aster amellus)
B2b(iii)
VU
Sommer-Blutströpfchen (Adonis aestivalis)
A4cd; B2ab(ii,iii)
EN
Ranken-Platterbse (Lathyrus aphaca)
Bild: Nina Lohri
B2b(iv)c(iii)
EN
Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris)
A3c
CR
Asperula arvensis (Acker-Waldmeister)
B2ab(iii,iv)c(iii)
Das Instrument der Roten Liste eignet sich sehr gut, um Prioritäten zu setzen. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn man einen Pflegeplan entwirft, in dem gefährdete Arten vorkommen. Hier kann man die Pflege so anpassen, dass sie möglichst den Arten dient, die am schwersten gefährdet sind.
In der Schweiz bestehen für insgesamt 27 Organismengruppen (Stand März 2022). Dazu gehören die Säugetiere, die Brutvögel, die Libellen, die Tagfalter, Heuschrecken, Amphibien, Reptilien und die Farn- und Blütenpflanze. Alle stehen hier gratis zur Verfügung: Rote Listen Bafu
Die Roten Listen zeigen an, wie bedroht Arten sind. Als gefährdet gelten solche mit Status «verletzlich», «stark gefährdet» oder «vom Aussterben bedroht». Es gibt für viele Gruppen solche Einschätzungen.
IUCN. (2012). IUCN Red List Categories and Criteria: Version 3.1. Second edition. Gland, Switzerland and Cambridge, UK: IUCN. iv + 32pp.
Bornand C., Gygax A., Juillerat P., Jutzi M., Möhl A., Rometsch S., Sager L., Santiago H., Eggenberg S. 2016: Rote Liste Gefässpflanzen. Gefährdete Arten der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Bern und Info Flora, Genf. Umwelt-Vollzug Nr. 1621: 178 S.